Im Tal der Schlösser

Es ist eine alte polnische Tradition, im Mai ins Grüne zu fahren (Majówka). Die Sächsisch Polnische Gesellschaft Leipzig organisierte vom 1. bis zum 2. Mai 2015 eine Mai-Fahrt ins Hirschberger Tal, das Tal der Schlösser und Gärten. 3500 Schlösser und Herrensitze gibt es in Niederschlesien, die zum Teil wieder „zum Leben wach geküsst worden sind“. Das Hirschberger Tal, das nur ungefähr 70 Kilometer von Görlitz entfernt liegt, gehört zu einer der bedeutendsten Kulturlandschaften Europas. Auf dem rund 100 Quadratkilometer großen Gebiet um die Stadt Jelenia Góra (Hirschberg) stehen 38 Schlösser und Herrenhäuser des früheren schlesischen Adels. Nirgends in Europa gibt es so viele Schlösser, Burgen und Herrensitze auf so engem Raum wie im Hirschberger Tal. Die Blütezeit des Hirschberges Tals begann als, 1832 der preußische König Friedrich Wilhelm III. die Schlossanlagen Fischbach, Schildau und das Dorf Erdmannsdorf erwarb und im Schloss Erdmannsdorf seine Sommerresi¬denz einrichtete. Der preußische Hochadel zog nach. Hier errichteten so bedeutende europäische Adelsgeschlechter wie die Familien von Habsburg, von Hohenzollern, von Schaffgotsch, Czartoryscy und Radziwiłłowie ihre Residenzen. Die besten Architekten und Landschaftsarchitekten Mitteleuropas Karl Friedrich Schinkel, Friedrich August Stüler und Peter Joseph Lenné begannen hier ihre Tätigkeit und schufen am Fuße des Riesengebirges eine im romantischen Geist gestaltete Kunstlandschaft. Die im englischen Stil geplanten Landschaftsgärten waren so weitläufig, dass sie oft ineinander übergingen und das Tal zu einem Gesamtkunstwerk formten. Das Hirschberger Tal galt fortan als “das schlesische Elysium”. Anfang des 19. Jahrhunderts entdeckten berühmte romantische Künstler das Hirschberger Tal. Fryderyk Chopin, Caspar David Friedrich und Ludwig Richte zog das Tal in seinen Bann. Nach dem Krieg wurden die Schlösser und Herrenhäuser zweckentfremdet und verfielen. Seit einigen Jahren erwacht das "Tal der Schlösser und Gärten" wieder. Die Schlösser und Herrenhäuser werden renoviert und zu kulturelle Begegnungszentren, Stiftungssitzen, oder meistens zu imposanten Schlosshotels ausgebaut.

Die Tour:

Gerhart Hauptmann Museeum Agnetendorf (Jagniątków)

Als erster Programmpunkt stand die Besichtigung der Villa des deutschen Schriftstellers und ersten deutschen Literaturnobelpreisträgers Gerhart Hauptmann in Jagniątków (Agnetendorf) , die im November 1989 dank der Initiative des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl und des polnischen Ministerpräsidenten Tadeusz Mazowiecki zu einem Museum und einer internationalen Begegnungsstätte umgestaltet wurde. Die u.a. aus den Mitteln des Sächsischen Staatsministeriums des Innern und der Stiftung für Deutsch – Polnische Zusammenarbeit renovierte Einrichtung fördert die Vermittlung der deutschen und polnischen Kultur, Literatur und Geschichte. In den Räumen des Museums finden Ausstellungen, Autorenlesungen, internationale Workshops, Konferenzen und Konzerte statt.



Schloss Lomnitz (Łomnica)

Das Schloss Lomnitz mit seinem schönen Garten und dem gepflegten Landschaftspark im klassischen Lenné-Stil ist das Vorzeigeobjekt im Hirschberger Tal. Unter polnischen, deutschen und tschechischen Touristen gilt das Schlosshotel mit der hervorragenden Küche als Geheimtipp. Nach einem herrlichen Essen im „Kleinen Schloss“ führte uns die charismatische „Schlossherrin“ Elisabeth von Küster durch das Schloss Lomnitz. Das Schloss befand sich seit 1835 bis 1945 im Besitz der Familie von Küster. Nach dem politischen Wechsel in Polen hatten Elisabeth von Küster und ihr Mann Ulrich das einstige Anwesen der Familie vom Staat gekauft. Das Schloss ist heute ein Schmuckstück, dessen Wiederaufbau viel Arbeit, Erfindungsgeist und nicht zuletzt Geld gekostet hat. Das sogenannte Große Schloss von 1720 dient jetzt nicht nur der siebenköpfigen Familie als Wohnraum, sondern auch als Tagungsstätte, Museum, Veranstaltungs- und Ausstellungsort. Das "Kleine Schloss", 1805 als Witwensitz erbaut, wird als Hotel genutzt. Und in den Gebäuden des zum Schloss gehörenden Gutshofs befinden sich Hofläden, wo einheimische Erzeugnisse verkauft werden und eine Gaststätte für Reisegruppen. Bewundernswert der Enthusiasmus und die Energie, mit denen Elisabeth von Küster bei der Umsetzung ihrer Ideen ans Werk geht und dabei das ganze Dorf mitnimmt.

Schloss Schildau (Wojanów)

Das Schloss Schildau ist ein Märchenschloss wie aus einem Bilderbuch, ganz in Weiß, mit Türmchen an den vier Ecken und einem roten Dach. Das Schloss wurde im Jahr 1839 von König Friedrich Wilhelm III. als Sommersitz für seine Tochter Luise gekauft. Das im Jahr 1299 erstmals erwähnte Anwesen wurde im Dreißigjährigen Krieg von schwedischen Truppen niedergebrannt und 1667 von Christoph von Zeidlitz wiederaufgebaut. Auf wundersame Weise überstand das Schloss unbeschadet den Zweiten Weltkrieg, wurde in den Jahren danach jedoch dem Verfall preisgegeben. 1995 übernahm es ein italienischer Investor und unterzog Renovierungsmaßnahmen. 2002 wurde das Schloss durch einen Brand zerstört. Zwischen 2005 und 2008 wurde das Schloss gründlich restauriert. Der Unternehmer Piotr Napierala aus Breslau (Wrocław), der sich mit einem kleinen Firmenimperium bei der Restaurierung alter Bausubstanz einen Namen gemacht hat, übernahm das Schloss. Das Schloss wird heute als ein exklusives Hotel und Tagungsort genutzt. Piotr Napierala hat auch die "Stiftung Schlösser und Gärten im Hirschberger Tal" initiiert, die nicht nur helfen soll, Kulturerbe zu bewahren, sondern auch für die Schlösser zu werben. Ein großes Ziel ist es, von der Unesco als schutzwürdig anerkannt zu werden.



Schloss Fürstenstein (Książ)

Wir übernachtetn in dem drittgrößten Schloss Polens, dem Schloss Fürstenstein. Im Schloss Fürstenstein fanden vom 30. April bis zum 3.Mai 2015 der XXVII. Markt für Floristik und Kunst statt. Nun waren alle auf die schönste Frau Europas Fürstin Daisy von Pless Gräfin von Hochberg und Freifrau zu Fürstenstein und ihre Geschichte neugierig. Das von Herzog Bolko I in den Jahren 1288-1291 erbaute Schloss Fürstenstein (Książ) ist die viertgrößte Burg in Polen mit über 400 Räumen. Das Schloss erhebt sich auf einem Felsen an der Stadtgrenze von Waldenburg. Nach dem Aussterben des Schweidnitzer Piastengeschlechts fiel das Schloss in böhmische Hände. In den folgenden Jahrhunderten wechselte es mehrmals seine Besitzer. Die Geschichte des Schlosses ist sehr interessant, bunt und bis zum heutigen Tage voller ungelöster Rätsel. 1891 heiratete Hans Heinrich XV, Fürst von Pless, Graf von Hochberg, Baron von Fürstenstein, der reichste Erbe des deutschen Kaiserreichs, die bildschöne Engländerin Mary-Theresa Olivia Cornwallis-West, genannt Daisy. Daisy galt Ende des 19. Jahrhunderts als eine der schönsten Frauen Europas. Sie war Stilikone ihrer Zeit. Die Fürstin besaß die wohl teuerste Perlenkette der Vorkriegszeit, 7 m lang, die sie von ihrem Mann während der Flitterwochen erhielt. Eine ähnlich exquisite Perlenkette besaß nur noch die junge Zarin Alexandra 1894. Sie bekam sie zur Hochzeit. Das Schicksal der Perlen nach dem Tod von Daisy 1943 ist mit vielen Sagen und Geheimnissen verbunden.


Hirschberg (Jelenia Góra) Schloss Paulinum (Pałac Paulinum)

Unser Stadtbummel begann in der Straße ul. 1 Maja an der barocken St. Peter- und Paulskirche, die von der russisch-orthodoxen Gemeinde genutzt wird und endete an der Turmbastei (Baszta Grodzka). Die Turmbastei stammt aus dem 15. Jahrhundert und war Teil der mittelalterlichen Ringmauern von Hirschberg. Entlang der verkehrsberuhigten Haupteinkaufsstraße ul. 1 Maja reihen sich links und rechts Häuser aus den unterschiedlichsten Epochen aneinander: Barock- und Renaissancehäuser, Häuser aus der Gründerzeit und Jugendstil. In den Laubengängen der Häuser laden zahlreiche Cafes zum Verweilen ein. In der Mitte des Rathausmarktes steht das klassizistische Rathaus, das 1747 nach Plänen von C. G. Hegemann gebaut wurde. Über dem Haupteingang steht die: „Urbem Boleslaus Distortus MCVIII Struxit“ (Boleslaus Schiefmund hat die Stadt 1108 erbaut). Das Schloss Paulinum befindet sich auf einem Hügel mit herrlichem Blick auf die Schneekoppe, der unvergesslich bleibt, so wie der herrliche Nachtisch das Halva Parfait.


Schloss Erdmannsdorf(Mysłakowice)

Wie es den Häusern vor der Renovierung erging, sieht man an Schloss Myłakowice (Erdmannsdorf): Die Hohenzollern-Residenz dient noch immer als Schule – mit einem Ballsaal als Turnhalle. Auch das hat seine ganz eigene Poesie. Zwei Storchenpaare haben hier ihr Zuhause gefunden.



Schloss Stonsdorf (Staniszów)

Im Schloss Stohnsdorf stand ein Spaziergang im englischenSchlosspark und die Besichtigung der Kunstgalerie auf dem Plan. Der Park wurde von Lenné entworfen und gehört zu den ersten Grundkonzeptionen eines Parks im englischen Stil in Niederschlesien, mit uraltem Baumbestand und herrlichen Sichtachsen. Nach dem Krieg teilte das Schloss das Schicksal vieler anderer Schlösser und Herrensitze: Kinderheim, Feuerwehrschulungsheim, Leerstand, Verfall. 2001 wurde das völlig marode Landgut, das bis 1945 der sächsischen Adelsfamilie von Reuss gehörte, von Wacław Dzida und seiner Frau Agata gekauft und, wie so oft, zum Hotel ausgebaut. Vor der Abreise wurde an der Hotelbar der echt Stonsdorfer genossen, der gleichnamige Kräuterlikör, der hier verkauft wird, doch nicht mehr hergestellt. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde in Hamburg unter der alten Firma eine neue „Stonsdorferei" gegründet.



Schloss Schwarzbach( Czarne)

Drei Kilometer weiter liegt Schloss Schwarzbach, der typischer Sitz einer schlesischen Adelsfamilie aus dem Zeitalter der Renaissance. Hier kam es zu einer ungeplanten Begegnung mit dem amtierenden „Schlossherr“ Jacek Jakubiec, dem engagierten Ökologen, der als aktives Solidarnosc-Mitglied 1981 seine Stelle als Stadtplaner an der Breslauer Universität verlor und einige Jahre im Untergrund leben musste. Das Schloss beherbergt die Ökologische Stiftung. Jakubiec, der mit seinem weißgrauen Rauschebart auf den ersten Blick wie ein echter Ökofreak wirkt, erzählte in fließendem Deutsch über die Geschichte des Schlosses und seine Träume, wie es mit dem Schloss weiter gehen soll . Jakubiec, ist es gelungen, auch die Nachbarn des Schlosses für seine Sache zu begeistern. So brachten die Leute nach und nach die kunstvoll behauenen Steine des Schlossportals aus dem 16. Jahrhundert zurück.


Auf der Rückfahrt nach Sachsen bewunderten wir die sanft hügelige Kulturlandschaft des Riesengebirges mit der Schneekoppe, die wie magisch den Blick auf sich zog. Der Fahrer Waldemar Sułtanowicz erzählte uns, dass wir Glück haben, denn die Schneekoppe ist nur 92 Tage im Jahr deutlich zu sehen.



Hier noch ein sehr Fotobericht als PDF